Rede zum Haushalt 2022
Sehr geehrter Herr Bürgermeister Heß, sehr geehrte Damen und Herren der Verwaltung, liebe Kolleginnen und Kollegen, werte Gomaringerinnen und Gomaringer, sehr geehrte Damen und Herren von der Presse!
Mehr als 350 Seiten umfasst dieser Haushalt, mit ganz vielen Zahlen und für uns schwer verständliche Kontobezeichnungen, das ist der Kern des Haushaltsplans. Genau deshalb stellt die Verwaltung seit Jahren in einem eigenen Vorbericht alle wesentlichen Informationen in leichter verständlicher Sprache zusammen. Dieses Jahr hat Herr Pautsch und sein Team noch ein weiteres getan und zu jedem Teilhaushalt eine eigene Seite mit Erläuterungen erstellt. Damit fällt es uns erheblich leichter, uns auch in den Details des Haushalt zurechtzufinden. Danke dafür!
Wie schon in den letzten Jahren machen wir uns große Sorgen, wie die riesigen Geldbeträge, die unsere Regierung zur Abmilderung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Maßnahmen ausgegeben hat, wieder erwirtschaftet werden können. Zu befürchten ist, dass die Finanzmittel, die Gomaringen in den nächsten Jahren zur Verfügung stehen, deutlich geringer ausfallen. Dieses Jahr sind die Einnahmen im Haushalt noch einmal geringfügig besser als erwartet. Äußerst fraglich ist aber, ob das in Zukunft auch so bleibt.
Außerdem ist zu erwarten, dass Maßnahmen zum Hochwasserschutz, die Finanzierung des Baus der Stadtbahn und die Erweiterung des Schulzentrums auf dem Höhnisch unsere Finanzen in den nächsten Jahren zusätzlich erheblich belasten werden.
Trotz dieser Ausgangslage plant die Verwaltung hohe Beträge für die Sanierung der Schlossschule, sowie den Bau von Jugendzentrum und Funpark ein. Über diese Themenbereiche hat der Gemeinderat seit Jahren beraten. Verwaltung und Gemeinderat haben immer wieder nach Wegen gesucht, mit möglichst wenig eigenen Mitteln diese Projekte angemessen umsetzen zu können.
Im mittlerweile dritten Jahr der Corona-Infektionen wird immer deutlicher sichtbar, dass gerade Kinder und Jugendliche unter den Folgen von Homeschooling, Kontaktbeschränkungen und eben der ständigen Angst, sich und andere anzustecken, leiden. Freundschaftlicher oder eben auch konfliktbeladener Umgang miteinander und vieles mehr, was das Zusammenleben in einer gemeinsamen Gesellschaft erfolgreich macht, kommt in diesen Jahren viel zu kurz. Manche verkraften diese radikale Umstellung recht gut, aber immer deutlicher wird, das viele erheblich darunter leiden und in ihrer Entwicklung eingeschränkt und behindert wurden und werden. Gerade deshalb ist ein gut ausgestattetes Jugendhaus incl. Funpark wichtiger denn je. Das gleiche gilt für die Sanierung, Modernisierung und Ausstattung der Schlossschule.
Die Grüne Liste steht daher voll und ganz hinter den Ausgaben für diese beiden Großprojekte. Wir freuen uns sehr darüber, dass gerade hier eben nicht rigoros zusammen gekürzt wird. Wichtig ist uns, weiterhin die Jugendlichen in die Entscheidungsprozesse einzubinden, genau hin zu hören und eben auch transparent zu machen, was möglich ist und wo gerade in der heutigen Situation die Grenzen liegen.
Ebenso ist die Sanierung des Feuerwehrhauses und die Ersatzbeschaffung eines Feuerwehrfahrzeuges alternativlos. Zu der primären Aufgabe einer Feuerwehr, der Brandbekämpfung, sind in den letzten Jahren immer mehr Hilfseinsätze gekommen. Ein Beispiel dafür war das Starkregen-Ereignis im letzten Sommer. Die Anschaffung eines speziell für solche Einsätze ausgelegten Fahrzeugs deckt genau solche Bedarfe ab. Diese Ausgaben müssen einfach sein!
Ein weiterer großer Teil unserer Finanzmittel soll in die Schaffung von öffentlich geförderten Wohnraum an der Hechinger Straße fließen. Bereits seit Herbst 2018, also seit mehr als drei Jahren, laufen die Planungen hierfür. Schon damals war klar, dass die in Gomaringen geforderten Grundstückspreise für einen erheblichen Teil der Wohnungssuchenden schlicht nicht zu finanzieren sind. Wir brauchen dringend Wohnraum gerade für Mieter, die sich eben nicht gleich ein Häuschen mit Garten kaufen wollen oder können. Dazu zählen eben auch Personen, die in Gomaringen leben und obdachlos geworden sind, oder Geflüchtete. Viele von ihnen kamen bisher in gemeindeeigenen Häusern unter, deren Bausubstanz äußerst schlecht ist oder die nahezu baufällig sind. Das geht so nicht weiter. Wir finden es deshalb absolut richtig, dass die Gemeinde hier endlich „Nägel mit Köpfen macht“ und in die Gebäude, die die Kreisbau an der Hechinger Straße erstellen will, investiert. Wenn sie doch nur endlich gebaut würden!
Ebenfalls sehr groß ist die Nachfrage nach freien Bauplätzen, deshalb hat der Gemeinderat in den letzten Jahren die Grundlage für weitere Baugebiete geschaffen. Als Grüne Liste sind wir darüber gar nicht glücklich: Flächenverbrauch im Außenbereich und zunehmende Bodenversiegelung sind zwei Aspekte, die uns dazu gebracht haben, hier mehrfach mit „Nein“ zu stimmen. Der Gemeinderat hat dagegen mehrheitlich zugestimmt, jetzt müssen wir das Beste daraus machen.
Das Klimaschutzgesetz fordert: Der Treibhausgasausstoß der gesamten Gemeinde soll bis 2030 um mindestens 65 Prozent reduziert werden. Bis 2040 soll Klimaneutralität erreicht sein. Dies lässt sich nur erfüllen, wenn neue Baugebiete von vornherein als Ganzes klimaneutral geplant werden. Dazu kommt die Forderung, eben nicht nur Bauplätze zur Verfügung zu stellen, sondern im Gebiet auch gleich die Grundlage für eine hohe Aufenthaltsqualität zu sorgen, Infrastruktur, Einkaufmöglichkeiten, Spielplätze etc. zu planen.
Die Verwaltung sieht dies genauso und stellt entsprechende Finanzmittel bereit, um vor Planungsbeginn zuerst alle Flächen eines Baugebiets aufzukaufen. Dies entspricht einem grundsätzlich anderen Vorgehen als bei den bisher erschlossenen Baugebieten. Leider kam es in den letzten Jahren immer wieder vor, dass die Planung eines Baugebiets über viele Monate einfach nicht voran ging, weil einzelne Grundstückseigentümer ihr Grundstück gar nicht, oder nur zu sehr hohen Bedingungen einbringen wollten. Dazu kam, dass es im weiteren Verlauf nur schwer möglich war, dem ganzen Gebiet „ein gemeinsames Gesicht“ zu geben. Jetzt geht’s dagegen erst richtig los, wenn alle Grundstücke im Eigentum der Gemeinde sind; erst dann wird das Baugebiet detailliert geplant. Der große Vorteil dieses Vorgehens ist: Nur so kann z.B. eine gemeinsame Wärmeversorgung für alle Bauplätze, also ein Nahwärmenetz, oder eine gemeinsame Stromversorgung, die weitgehend Photovoltaik im eigenen Gebiet beruht, realisiert werden. Wir stehen daher voll und ganz hinter diesem Vorgehen.
Soweit zu den größten Ausgaben im Haushaltsplan 2022. Ich komme jetzt zu Themen, die uns ebenfalls sehr wichtig sind, die im Haushaltsplan aber kaum erkennbar sind:
Als ich den Vorbericht zum Haushalt das erste Mal durchgearbeitet habe, ist mir aufgefallen, dass für die Bauleitplanung und Vermessung in diesem Jahr nur ein Drittel der Ausgaben des Vorjahres geplant werden. Mein erster Eindruck war: „Na, dann geht’s im Bauamt dieses Jahr ja deutlich ruhiger vor“. Mittlerweile ist mir klar: Diese Einschätzung ist grottenfalsch! Wie kam es dazu?
Im Haushaltsplan erscheinen nur solche Projekte, für die neue Mittel bewilligt werden müssen.
- Projekte, für die in den vergangenen Jahren Mittel bewilligt wurden, die aber zurückgestellt wurden, werden hier nicht noch einmal aufgeführt. Die in den letzten Jahren nicht abgerufenen Mittel werden auf dieses Jahr übertragen, eine Zustimmung braucht’s dazu erst beim Mittelübertrag auf das folgende Jahres.
- Auch mehrjährige Projekte, für die in diesem Jahr ausschließlich Planungsarbeit durch das Bauamt anfällt, externe Firmen aber nicht benötigt werden, tauchen im Haushaltsplan nicht auf.
- Das gleiche gilt für alle Projekte, in denen nur Personalkosten anfallen. Die Begleitung und Überwachung der Verlegung des Glasfasernetzes ist ein Beispiel dafür. Wenn mehrere Bautrupps ein volles Jahr lang gleichzeitig jeden einzelnen Gehweg in ganz Gomaringen auf graben und jedes einzelne Haus an ihr Netz anschließen, dann muss dies durch Personen mit Kenntnis der dort verlegten Leitungen engmaschig begleitet und überwacht werden. Wir müssen, soweit das irgend geht, verhindern, das bei solchen Bauarbeiten andere Versorgungsleitungen beschädigt werden und dafür sorgen, dass die Baugruben nach Fertigstellung wieder vernünftig verschlossen werden. Allein dieses Projekt wird ganz erhebliche Arbeitskraft binden.
- Ein weiterer Bereich entsteht aus Forderungen des Gesetzgebers. Solange alle Arbeit hieran durch das Bauamt gemacht wird, wird dies im Haushalt nicht erkennbar.
Konkret: Der Themenkomplex „Klimaschutz“ taucht im Vorbericht überhaupt nicht auf. Man könnte deshalb meinen, dass die Forderungen des Klimaschutzgesetzes von der Verwaltung bisher überhaupt nicht bearbeitet werden. Auch diese Einschätzung ist, das weiß ich mittlerweile, völlig falsch. Ich komme da gleich noch einmal drauf.
All diese Themenbereiche erfordern erhebliche Arbeitszeit, werden für uns Gemeinderäte und erst recht für die Bevölkerung aber kaum sichtbar.
Klar, wir diskutieren hier über den Haushalt 2022, also über die Mittelvergabe. Dazu gehört aber nicht nur die Entscheidung, WAS wir finanzieren wollen, sondern auch, MIT WELCHER PRIORITÄT wir die Projekte angehen wollen. Genau dazu müssen wir Gemeinderäte aber wissen, welche Projekte sonst noch angegangen werden müssen. Und wir meinen, auch der Bevölkerung sollte frühzeitig offengelegt werden, welche Aufgaben die Verwaltung so alles in diesem oder den nächsten Jahren bearbeitet.
Das erhöht die Transparenz und fördert das Verständnis, wenn’s irgendwo mal nicht so schnell weitergeht, oder einfach keine Zeit für zusätzliche Projekte ist.
In diesem Sinne schlage ich vor, in Zukunft gemeinsam mit dem Haushaltsplan der Öffentlichkeit bekannt zugeben, welche Projekte / Themenkreise die Verwaltung im kommenden Jahr bzw. in den kommenden Jahren angehen will, unabhängig davon, ob hierfür neue Mittel bewilligt werden müssen.
Jetzt zum Klimaschutz:
Bereits Anfang des Jahres 2018 und noch einmal Anfang 2019 hat die Grüne Liste beantragt, für Gomaringen ein Klimaschutzkonzept zu erstellen. Am 9. Oktober 2019 hat der Gemeinderat dann endlich die Agentur für Klimaschutz beauftragt und im Mai 2021, also 2 ½ Jahre nach Zustimmung zu unserem Antrag, wurde die Auswertung der Fokusberatung „Klimaschutz“ dem Gemeinderat präsentiert.
Ein Ergebnis der Bestandsanalyse war: 97% der Heizungen in Gomaringen nutzen Öl oder Gas. 89% unseres Strombedarfs beziehen wir von außerhalb. Damit ist Gomaringen extrem abhängig von auswärtigen bzw. ausländischen Lieferanten. Wie wenig krisensicher und damit besorgniserregend diese Versorgungslage ist, das erleben wir gerade in diesen Monaten. Wie eben schon erwähnt: Die vom Klimaschutzgesetz geforderte Klimaneutralität kann bis 2040 nur erreicht werden, wenn in ganz Gomaringen der größte Teil der Heizungen umgestellt wird. Ähnlich sieht’s mit der Stromversorgung aus: Die allermeisten Dachflächen in Gomaringen sind für Photovoltaik gut oder sehr gut geeignet, genutzt wird aber nur ein sehr kleiner Teil davon.
Parallel zur Fokusberatung Klimaschutz wurde ja auch eine Bürgerbefragung durchgeführt. Aus den Rückmeldungen ergab sich ein erhebliches Interesse an Sanierungsmaßnahmen (Erneuerung der Heizung, Wärmedämmung besonders bei älteren Gebäuden). In den meisten Antworten wurden Maßnahmen zum Klimaschutz als wichtig oder sogar sehr wichtig eingeschätzt.
Auf Anregung der Grünen Liste hin wurde dann auch die VHS-Veranstaltungsreihe „Klimaschutz: Wir sind dabei!“ initiiert. Diese Veranstaltungen wurden trotz der Einschränkungen durch Corona sehr gut besucht.
Zusammengefasst: Der Gesetzgeber fordert konkrete Maßnahmen zum Klimaschutz. Ein erheblicher Teil der Bevölkerung hält dies ebenfalls für wichtig und ist durchaus an entsprechenden Maßnahmen interessiert.
Jetzt kann man als Gemeinderat und Gemeindeverwaltung natürlich sagen: „Das sind Themen, die in erster Linie die Privateigentümer in Gomaringen betreffen; nur ganz wenige Gebäude hier gehören der Gemeinde.“ Das ist schon richtig, aber das Klimaschutzgesetz fordert auch: „Der öffentlichen Hand kommt beim Klimaschutz eine Vorbildfunktion zu.“
Bisher hat, was Photovoltaik angeht, die Verwaltung regelmäßig diejenige Lösung umgesetzt, die sich am schnellsten amortisierte, also reiner Eigenverbrauch, und damit blieben große Teile der Dachfläche ungenutzt. Das es auch anders geht, konnten wir in den letzten Jahr mehrfach in der Tagespresse lesen. In unseren Nachbarorten wurden und werden große Dächer mit Solaranlagen bestückt, die weit mehr Strom liefern, als für den Eigenbedarf erforderlich ist. Je größer das Dach, um so lukrativer wird es, auch heute noch. Finanziert wird das ganze über Energiegenossenschaften unter besonderer Beteiligung der ortsansässigen Bürgerschaft. Das Feuerwehrhaus in Rübgarten, das Rathausdach in Reutlingen, diverse Gebäude in Wannweil, das Kinderhaus in Münsingen, überall dort sollen bzw. werden nach diesem Modell große Solardächer betrieben. Gomaringen kann das auch, die Verwaltung muss es aber aktiv vorantreiben, zumindest für die eigenen Dächer.
Im letzten November fand eine Podiumsdiskussion statt unter dem Thema „Wärmenetze oder Einzelheizungen – wohin bewegt sich die Wärmeversorgung im Landkreis Tübingen?“. Klares Ergebnis war, dass es häufig für den Einzelnen kostengünstiger ist, wenn mehrere Häuser durch ein gemeinsames Nahwärme-Netz versorgt werden.
Und damit kommt die Aufgabe doch wieder zurück an die Gemeindeverwaltung: Um es ganz klar zu sagen: wir möchten nicht, dass die Verwaltung einen weiteren Eigenbetrieb „Wärmeversorgung“ oder „Energieversorgung“ gründet, das können andere besser. Aber wir möchten, dass geeignete Gebiete in Gomaringen identifiziert, und gemeinsam mit den Netzanbietern geprüft wird, was sinnvoll realisierbar ist. Betreiben muss die Gemeinde solche Netze sicher nicht. Aber das Ziel ist, weit mehr als bisher erneuerbare Energien zu nutzen mit dem Nebeneffekt, Gomaringen unabhängiger von externen Versorgern zu machen.
Jetzt möchte ich noch ein paar Worte sagen zu dem „Sonderwunsch“, den die Grüne Liste vor zwei Jahren, also im Januar 2020, zum Haushalt beantragte. Damals war unser Ziel, ein Radverkehrskonzept entwickeln zu lassen.
Unsere Absicht war damals, eben nicht einzelne Verbindungen isoliert für den Radverkehr zu verbessern, sondern zunächst den gesamten Ort im Hinblick auf das Verbesserungspotenzial zu durchsuchen und dadurch fundiert einzelne Projekte zu priorisieren.
Anders gesagt: Wir brauchen ein fundiertes Bild der Bedarfe im ganzen Ort. Dies soll dann Grundlage für alle weiteren Planungen sein.
Erst Ende des gleichen Jahres erfuhren wir dann, dass vor Auftragsvergabe der Gemeinderat zunächst die verschiedenen Komponenten dieser Untersuchung priorisieren sollte. Und soweit wir wissen wurde erst nach fast zwei Jahren tatsächlich der Auftrag erteilt. Mittlerweile geht die Zeit weiter, und heute diskutieren wir u.a. über die Sanierung einzelner Radwege. Wir machen damit genau das, was unser Antrag verhindern sollte, wir geben viel Geld aus für Einzelmaßnahmen, bevor wir den Gesamtbedarf kennen und Prioritäten definieren können. Unsere große Befürchtung ist, dass dann, wenn das Nahmobilitätskonzept fertiggestellt ist, eben keine Finanzmittel mehr zur Verfügung stehen. Das bereits der erste Schritt unseres Sonderwunsches, nämlich die Auftragsvergabe, derart lange gedauert hat, das enttäuscht uns sehr.
Soweit die Punkte des Haushalts, die ich hier vertiefen wollte.
Ich danke für ihre Aufmerksamkeit.
Dr. Hartmut Rombach
Fraktionsvorsitz Grüne Liste Gomaringen
(Es gilt das gesprochene Wort)